Der ehrgeizige Zweikampf beim Fußballmatch mit Freunden oder der kleine Schneehügel auf der Piste, der im Schusstempo übersehen wird. Gefahren für Knieverletzungen gibt es im Freizeitsport zur Genüge. Sind Drehbewegungen im Spiel, ist es meist das Kreuzband, das Schaden nimmt.

Die gute Nachricht: Ein lädiertes Kreuzband ist heute kein Grund mehr, den Lieblingssport an den Nagel zu hängen. „Wir sind in der Lage, die volle Funktion des Knies nach einem Kreuzband-Trauma wiederherzustellen“, erzählt mir Prof. Dr. Christian Fink im Interview, das ich für die deutsche Fitness-Zeitschrift „shape UP“ führen durfte. Der Tiroler ist renommierter Facharzt für Unfallchirurgie und Knie-Experte im Betreuerteam des österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Ein Großteil der Knieverletzungen österreichischer aber auch ausländischer Alpinkader-Athleten landet auf seinem OP-Tisch.

Ob das Knie nach einer Kreuzband-OP wieder voll belastbar wird, hängt von der Länge Reha ab

Dass Profis wie Sami Khedira oder Lindsey Vonn nach einem Kreuzbandriss wieder Bestleistungen bringen können, verdanken sie jedoch in erster Linie eisernem Trainingswillen. Ist die operative Sanierung des Knies erledigt, gilt es nämlich, für mindestens acht Monate die Kraft im verletzten Bein akribisch wiederherzustellen.

„Die Operationsmethoden sind heute standardisiert“, erklärt Prof. Fink. Profiathleten werden nicht besser operiert als andere Patienten und auch der Heilungsprozess dauert gleich lange. „Ob das Knie wieder voll belastbar wird, entscheidet zu 70 Prozent eine ausreichend lange Rehabilitation“, so der Kniechirurg. In seiner Innsbrucker Praxis „Gelenkpunkt“ begleitet Prof. Fink seine Patienten auch nach der Operation sehr intensiv.

Arzt untersucht Knie einer Patientin

Ohne gezieltes Krafttraining ist es unmöglich, das Muskeldefizit im verletzten Bein wieder aufzuholen

Gemeinsam mit dem Sportwissenschafts-Institut der Uni Innsbruck hat Fink und sein Team eine spezielle Test-Batterie entwickelt, die muskuläre Defizite im operierten Bein präzise aufzeigt. Entsprechen Werte wie Balance, Schnelligkeit, Sprungkraft, Geschicklichkeit (Sprungparcours-Test) und isokinetische Kraft nicht jenen des gesunden Beins, wird bei Gelenkpunkt kein Athlet für die sportliche Wiederbetätigung freigegeben.

Prof. Fink: „Die Zeit bis zur vollen Belastbarkeit wurde früher unterschätzt. Absolvieren Patienten nach zwei Monaten obligater Physiotherapie kein spezifisches Krafttraining, ist es unmöglich, das Muskeldefizit aufzuholen. Selbst nach sechs Monaten Aufbautraining zeigen unsere Messungen noch Kraftmängel.“

Sportlerin beim Test auf elektronischer Stabilisations-PLatte in der innsbrucker Praxis Gelenkpunkt

Fotocredit: gelenkpunkt.com

Einbeiniger Speedy-Test muss bei Prof. Fink fehlerfrei absolviert werden

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Kniebeugen, Radfahren, Bergaufgehen – welche Übungen man selbst zu Hause oder im Fitnessclub machen kann

Isoliertes Muskeltraining für das operierte Bein lautet das Erfolgsrezept. Im Grunde, so betont der Traumaspezialist, braucht es hier keine übermäßige Betreuung. Ist man vom behandelnden Arzt freigegeben, ist das Knie also abgeschwollen und die Beweglichkeit gut, kann man zu Hause oder im Fitnessclub viel zur Gesundung beitragen.

Bergaufgehen oder eine Einheit am Stepper kräftig beispielsweise die Gesäßmuskulatur – nach neuen Erkenntnissen wesentlich an der Kniestabilisation beteiligt. Auch einbeinige Kniebeugen empfiehlt der Unfallexperte. Durch Hanteln oder ein Gummiband erschwert, sollte der Kniewinkel nicht mehr als 60-70 Grad betragen. In den Zehenstand heben, beispielsweise auf einer Stiege, kräftig die Wade, die nach einer OP ebenfalls schwindet. Gute Beweglichkeit im Knie wird schließlich durch Radfahren in allen Variationen erreicht.

Zum Messen der Heilungs-Fortschritte regelmäßig den Oberschenkelumfang notieren!

Selbst Profiathleten benötigen 8 Monate bis zur vollen Genesung. Bei Begleitverletzungen, wie Meniskus- oder Knorpelschäden, auch länger. Um den Fortschritt messbar und die Motivation hoch zu halten, empfiehlt Prof. Fink, den Oberschenkelumfang zu notieren: „Fehlen Zentimeter zum gesunden Bein, korreliert das mit dem Kraftdefizit.“ Auch, wenn das Knie bei Belastung nicht mehr anschwillt, ist das ein guter Indikator, dass wieder alles im Gleichgewicht ist.

Schlussendlich ist die beste Therapie jedoch jene, die man nicht benötigt. Eine vorbeugende Stärkung der Hüft- und Gesäßmuskulatur verhindert neben einer kräftigen Oberschenkelvorder- und -rückseite beispielsweise den „Kreuzbandriss-Klassiker“: Einen großen Valgus-Winkel (X-Bein) bei einbeinigen Landungen.

Herzlichen Dank an Prof. Dr. Fink für das OK zur Veröffentlichung des Berichts!

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a.o. Univ.-Prof. Dr. Christian Fink

ist Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie und seit 25 Jahren auf Knieverletzungen spezialisiert.

Gemeinsam mit zwei Kollegen betreut er in der Wahlarztpraxis „Gelenkpunkt“ (Innsbruck) neben Normalpatienten auch zahlreiche internationale Spitzenathleten. Kontaktmöglichkeit und weitere Infos findet ihr auf der Website!

Ältere Dame trainiert mit Theraband

Mein Tipp:

Ich bin immer bemüht, euch relevante Experten-Interviews, die ich im Auftrag von Zeitschriften führe, hier auf meinem Blog kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das Einverständnis der Interviewpartner vorausgesetzt.

Vielleicht interessiert dich auch das Thema „Was tun bei Muskelschwund“? Die Molekularbiologin Dipl. Ing. Dr. Barbara Wessner hat mir Einblicke in die große Wiener Subventions-Studie „Active Ageing“ gegeben, in der untersucht wurde, wie altersbedingter Muskelabbau durch gezieltes Krafttraining gestoppt werden kann.

Hier geht’s zum Bericht!